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Freizeit, Hochschule, Mecklenburgische Seenplatte, Neubrandenburg, Vortrag, Wissenschaft
21 Sonntag Nov 2021
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Freizeit, Hochschule, Mecklenburgische Seenplatte, Neubrandenburg, Vortrag, Wissenschaft
21 Sonntag Nov 2021
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Geschichte, Kultur, Malerei, Mecklenburgische Seenplatte, Museum, Neubrandenburg
Die Kunstsammlung der Vier-Tore-Stadt hat am gestrigen Sonnabend das Gemälde „Landschaft mit Hirt und Herde“ aus dem 17. Jahrhundert geschenkt bekommen. Das Bild galt mehr als einhundert Jahre als verschollen (Strelitzius berichtete). Es ist ein Glücksfall, dass Recherchen ins finnische Helsinki führten, wo das Bild im Amos Anderson Art Museum (seit 2018 Amos Rex) von Provenienzforschern entdeckt wurde. Das Werk hat dank umfangreicher Untersuchungen und der entgegenkommenden Zusammenarbeit und Großzügigkeit des Voreigentümers in Finnland wieder zurück in die Vier-Tore-Stadt gefunden.
Neubrandenburg besaß von 1890 bis 1945 eine Städtische Kunstsammlung, die aus den Legaten des Malers Henry Stoll (1822-1890) und des Kunsthändlers August Schmidt (1825-1911) erwuchs. Sie verfügte über einen Bestand von 10.000 bis 15.000 Werken mit einem kunsthistorischen und materiellen Wert von mehreren Millionen Euro.
Beim Brand der Neubrandenburger Innenstadt in der Endphase des 2. Weltkrieges, in der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945, sind das Museum und dessen historische Dokumente zerstört worden. Die Sammlung selbst soll kurz vorher Richtung Westen evakuiert worden sein. Jedoch erst Jahre nach dem Ende der DDR begann 1998 die Suche nach den verschollenen Werken.
Eine lange Recherche
1998 wurden im Amtsgericht Neubrandenburg Nachlass- und Magistratsakten der Stiftung Stoll aufgefunden. Durch ihre Auswertung und weiterer Recherchen konnten 1.159 Kunstwerke als Neubrandenburger Eigentum nachgewiesen werden. Diese wurden 2003 bei der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (seit 2015 Deutsches Zentrum Kulturgutverluste) angezeigt und sind als Verlustmeldungen online (www.lostart.de) abrufbar. 2004 wurde darüber hinaus ein Verlustkatalog publiziert und an alle relevanten Stellen verschickt. Recherchen führten ins finnische Helsinki, wo sich das mehr als hundert Jahre verschollene Gemälde aus Neubrandenburg fand.
Das Gemälde „Shepherd with a cow, goats and sheep“ mit ungeklärter Herkunft wurde in Helsinki im Amos Anderson Art Museum (Amos Rex) durch finnische Provenienzforscher im Jahr 2005 identifiziert. Dieses Werk und der Neubrandenburger Verlust des Gemäldes „Landschaft mit Hirt und Herde“ wiesen überraschende Übereinstimmungen auf. Neben dem identischen Bildinhalt besitzt das Gemälde auf der Rückseite die Nummer 648. Diese entspricht der Nummerierung des in Neubrandenburg als Verlust gemeldeten Werkes. Deshalb gab es bereits seit 2019 intensive Kontakte zum Amox Rex in Helsinki, die schließlich dazu führten, dass sich die Finnen 2021 dazu entschlossen haben, dass das Gemälde an seinen Ursprungsort zurückkommen soll. Die Beweise belegten eindeutig die Herkunft des Werkes.
2006 fanden die Provenienzforscher in der Finnischen Nationalbibliothek einen Restaurierungsbericht von 1926 über die Reinigung des Gemäldes „Shepherd and Cattle“ aus dem Besitz des Sammlers Amos Anderson (1878-1961). Diese weitere Übereinstimmung bedeutet, dass das Gemälde nicht erst seit 1945 verschollen war. Es ist bereits bei einem Einbruch 1919 in die Städtische Kunstsammlung neben 17 weiteren Gemälden gestohlen worden. Wie es nach Skandinavien gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Ein weiterer Beweis, dass es sich bei dem Glücksfall aus Helsinki tatsächlich um Neubrandenburger Kunst handelt, lieferte die alte Retusche, die sich bei Analysen zeigte. Schließlich ist überliefert, dass sich das Neubrandenburger Gemälde 1890 „in Restauration“ befand. 2012 wurde das Gemälde durch das Amos Anderson Art Museum umfassend restauriert.
„Landschaft mit Hirt und Herde“ ist ein Geschenk der Finnen an die Stadt. Nach mehr als 100 Jahren wurde es dank der entgegenkommenden Zusammenarbeit möglich, dass das verschollene Bild zurückkehrt.
„Neben den Scherben, die im Brandzimmer ansprechend das Schicksal der abgebrannten städtischen Kunstsammlung darstellen, gehört das Geschenk aus Finnland als einziges zu den Werken, die uns aus unserer alten Sammlung geblieben sind. Dieser Glücksfall und das Entgegenkommen der Verantwortlichen in Helsinki macht mich ausgesprochen glücklich und dankbar“, hebt Oberbürgermeister Silvio Witt hervor, der vor wenigen Wochen persönlich nach Helsinki gereist war, um die Schenkungsurkunde zu unterschreiben. Seine komplette Rede findet sich im Anhang.
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