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Auch der Neustrelitzer SPD-Bürgermeisterkandidat Daniel Priebe (Strelitzius berichtete) hat am heutigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ein Zeichen gesetzt. Er beteiligte sich an einer internationalen Aktion, bei der Menschen aller Länder und Religionen aufgerufen sind, am 27. Januar ein Selfie ins Netz zu stellen und dabei ein Plakat hochzuhalten mit den schlichten Worten „I remember“ (Ich erinnere mich) bzw. „We remember“ (Wir erinnern uns). Es soll dabei mit dem entsprechenden Hashtag #WeRemember in allen sozialen Netzwerken geteilt werden und so zu einer digitalen Erinnerungsaktion und „Aufstand gegen das Vergessen“ rund um den Globus werden.
Der 27. Januar ist internationaler Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Er geht auf den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz an diesem Datum vor 76 Jahren zurück.
Ich tue wie mir geheißen worden ist und gebe einen Kommentar ein:
‘We remember’ gibt uns der Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Stadt Neustrelitz, ein Herr Daniel Priebe’, zu verstehen. Damit schließt er sich einer weltweit agierenden ‘digitalen Erinnerungsaktion’ an, die der Verbrechen des Nationalsozialismus an vorrangig jüdischen Menschen aus aller Herren Länder gedenkt. So weit, so gut, so löblich.
Aber wieso bedient Herr Priebe sich für die Durchsetzung seines Vorhabens der englischen Sprache, dabei Herrn Gross als Bertreiber des Blogs auf dem schlüpfrigen Wege zur Verdolmetschung die ohne Zweifel unbeabsichtigte Falle der nicht einwandfreien Übersetzung stellend? Im Englischen unterscheidet man nämlich zwischen ‘jemanden an etwas erinnern’ = ‘to remind someone of something’ und ‘to remember something’ = ‘sich an etwas erinnern’. Aus dem Kontext – Herr Priebe läßt sich mit einer für einen englischen Muttersprachler eindeutigen Aussage auf einem Schild vor einem aufgelassenen jüdischen Friedhof fotografieren, und zwar mit einer ebenso eindeutigen Absicht: Er will sich der weltweit agierenden Bewegung derer anschließen, die den unter dem Begriff ‘Holokaust’ bekanntgewordenen millionenfachen Mord an den europäischen Juden nicht in Vergessenheit geraten lassen wollen, die sich erinnern wollen, jedes Jahr, und dies wohl ein Leben lang. Auch dies halte ich für ehrenwert. Dies und nichts anderes ist die im englischen verfasst Aussage ‘We remember’.
Und jetzt kommt’s: Wieso bedient Herr Priebe sich für die Umsetzung seines Anliegens der ENGLISCHEN Sprache? War das Englische die ‘Sprache der Täter’? War es die Sprache der Opfer? Es mag Herrn Priebe nicht bekannt sein, aber die Antwort lautet ‘weder – noch’. Die Täter sprachen überwiegend deutsch, während die Opfer sich hauptsächlich auf Polnisch, Ukrainisch oder Russisch unterhielten. Mir ist im Moment nicht bekannt, wie viele jüdische Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik Englisch als ihre Muttersprache angegeben hätten, aber ich bin mir sicher, dass es sich um nur eine sehr geringe Zahl gehandelt haben kann – um hier einer mutwillig missverstehenden Interpretation dieser Aussage gleich das Wasser abzugraben: jeder englischsprachige Muttersprachler jüdischen Glaubens wäre bzw. war einer zu viel gewesen. Aber wäre es im nicht im Zusammenhang mit der von Herrn Priebes Partei immer wieder erhobener Forderung nach ‘Gerechtigkeit’ auf allen Ebenen unseres Zusammenlebens nicht gerechter, wenn er den Opfern und ihren Nachfahren sein und der digitalen Aktion gegebenes Versprechen in dem drei genannten Sprachen, die die größten Zahlen der Opfer sprachen – und jetzt kommt’s noch einmal: wenn er den Nachfahren der Täter in ihrer, nämlich der DEUTSCHEN SPRACHE sein auf dem abgebildeten Schild lesbare – für jene unter uns, die des Englischen einigermaßen mächtig sind – Absicht bekunden möchte, sich zu erinnern, also nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, was ich in der Tag für EIN EINMALIGES VERBRECHEN IN DER Menscheitsgeschichte halte.
Oder anders gefragt: Herr Priebe, können Sie das, was Sie hier sagen wollen, nicht auch auf Deutsch sagen?
Dies fragt Sie Ihr Mitbürger Karl Baumgart, seines Zeichens Geschichtslehrer a.D. sowie Leiter der Region 17 des Vereins Deutsche Sprache e.V. in Dortmund.
Genderismus? Nein danke! Anglizismen? In den MEISTEN FÄLLEN geht es auch ohne sie! Dazu eine kleine Anekdote, von mir selbst am heutigen Tage erlebt: Während eines Telefongesprächs mit einer Mitarbeiterin des Finanzamtes erfuhr ich von dieser, dass die meine Steuerakte führende Kollegin nicht da sei, sondern im ‘home office’. Sie war sehr überrascht, als ich sie über die Wahrnehmung eines Briten diesen Begriff betreffend aufklärte. Wer weiß schon, dass eine Britin unter ‘Home Office’ das britische Innenministerium versteht? Die Benutzung des deutschen Begriffs ‘Heimarbeit’ hätte dieses Missverständnis verhindert. Deshalb fordert der VDS ja auch immer wieder: Englischsprachige Ausdrücke dort, wo sie angebracht sind, und nirgend(s) sonst.
Wie schön, dass Sie auch der englischen Sprache mächtig sind. Ich übrigens auch. Der Übersetzungsfehler in der mir übermittelten Pressemitteilung war mir aufgefallen, im selben Moment aber, beim Bearbeiten unterbrochen, wieder weggerutscht. Nun habe ich ihn nachträglich korrigiert, vielen Dank trotzdem für die Belehrung.
Ansonsten kann ich nicht erkennen, warum sich eine weltweite Bewegung nicht auch einer Weltsprache bedienen soll bzw. ein Deutscher nun das Deutsche bemühen muss, um Teil der Aktion zu sein. Er könnte in den sozialen Netzwerken nun gerade an einen Engländer geraten, der kein Deutsch kann, oder einen Ukrainer, oder einen Polen, oder einen Russen…
Übrigens bin ich einer der wenigen deutschen Journalisten, die ein Diplom der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besitzen. Aber das nur am Rand.