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Freizeit, Kultur, Mecklenburg-Strelitz, Neustrelitz, Premiere, Schauspiel

Das erlebt man nicht alle Tage im Theater: Überstrapazierte Menschen wenden ihren Blick von der Bühne ab, halten sich gar die Ohren zu. Gestern Abend hatte im Probenhaus des Landestheaters Neustrelitz “Krieg der Bilder” über die Macht der Medien nach dem gleichnamigen Hörspiel von Falk Richter Premiere. Und es wurde bis zum Anschlag des Möglichen und Erträglichen gespielt. So intensiv kann Theater sein!
In dem Stück, eine überragende Regiearbeit von Joris Löschburg aus aktuellem Anlass, geht es um junge Reporter auf der Jagd nach quotentreibenden Nachrichten und Bildern über den Krieg und das Elend der Menschen darin. Ihr Geschäft treibt Marco und Tom immer mehr in den Wahnsinn, und in der Enge des Probenhauses kann auch das optisch und akustisch traktierte Publikum dem nicht entrinnen. Eine glanzvolle, berechtigt gefeierte Leistung von Felix Erdmann und Florian Rast, die sicher auch die beiden Mimen an die Belastungsgrenze führt. Per Video ist Sophie Löschburg zugeschaltet, nicht minder großartig in ihrer Rolle als durchgeknallte Agenturkollegin. Am Ende geht es im verqualmten Zuschauerraum sogar noch zwischen die Sitzreihen, während das Geschehen auch die Tiefen des Hauses einschließt und bei geöffneten Fenstern quer über den Theaterplatz hallt. Gestern erreichte es dadurch die Besucher der Deutschen Tanzkompanie im Großen Saal des Landestheaters auf dem Weg nach Hause.
Das Stück ist kurzfristig in den Spielplan aufgenommen worden, und es bereichert ihn brandaktuell ungemein. Schade, dass insgesamt nur drei Aufführungen geplant sind. Natürlich wissen wir um die Macht der Medien, aber sie so eindringlich vorgeführt zu bekommen, das ist schon in hohem Maß wertvoll. Eine alte Freundin klagte im Gespräch mit mir vor Beginn der gestrigen Vorstellung, die aktuellen Geschehnisse rund um den Konflikt in der Ukraine machten sie ratlos. Aus dieser Ratlosigkeit befreit “Krieg der Bilder” nicht. Aber das Hardcore-Stück mit dem Untertitel “Wir verkaufen Fiktionen, die wir als Nachrichten verkaufen” ist unmissverständliche Botschaft, sich in Zeiten der Fake News nicht medial manipulieren, immer eigene Erfahrungen und gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
Und natürlich ist es ein Antikriegsstück, wie es beeindruckender nicht sein kann. Auf der Treppe im Probenhaus fanden sich Flugblätter mit Brechts “Gedächtnis der Menschheit” (1952): “…der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.”
Weitere Vorstellungen am 17. März im Probenhaus des Landestheaters und am 15. April im Schauspielhaus Neubrandenburg, jeweils um 19.30 Uhr. Weitere Infos und Tickets gibt es auf
