Glosse
Ich bin jetzt auch unter die Kleber gegangen. Also, ich habe mich nicht zu denen gesellt, die man vom Asphalt kratzen muss. Meine Holde hat nach fast drei Jahrzehnten Ehe immer noch eine hohe Meinung von mir und ganz Sparfüchsin mich mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut, neben dem Einkauf auch noch Rabattmarken zu befestigen.
Nun erfreue ich mich in der Tat einer gewissen Vorbildung. Etwa nach einem Viertel der Zeit an der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule hatte mir meine Mutter selig das Kleben von Konsummarken übertragen. Die Leser im Osten passender Jahrgangsstufe wissen, wovon ich schreibe. Allerdings geschah das damals entspannt im stillen Kämmerchen. Kein Vergleich mit heute, wo die gewinnbedeutenden Marken unter den Bedingungen eines quirligen Supermarktes an die Ware zu bringen sind.
Aus lauter Gemeinheit sind die Rabatte auch noch unterschiedlich. Es gilt also auf dem Weg zum Maximalprofit, die Hochprozentigen der teuersten Ware im Korb und die Niedrigprozentigen der billigsten zuzuordnen und sie daran zu fixieren. Eine Herausforderung, an der heutige Bildungsnotstand-Kids selbst nach der Hälfte der Schulzeit scheitern dürften. Und dann ist der Aufkleber auch noch so zu platzieren, dass der Strichcode des nunmehr Schnäppchens nicht überdeckt wird.
So richtig geprüft wurde ich aber neulich, als ich bei Edeka nach dem Vorbild vom roten Netto, also nicht dem schwarzen, kleben wollte. Ich habe mir bald einen abgebrochen, die Marken von der Unterlage zu lösen. Beide Hände unter maximalem Fingernageleinsatz reichten nicht aus, das Aufsetzen der Sehhilfe führte auch nicht zum Erfolg. Ich habe es dann noch mit Blasen versucht, um die Unterlage vom Wertvollen zu trennen, da guckten mich die ersten Miteinkäufer schon komisch an.
Nun bin ich ja einer von den gnadenlosen Shoppern. Erziele ich nach einer gefühlten Viertelstunde keinen Sucherfolg in der Kaufhalle, schnappe ich mir jemanden vom Personal. Sofern eine oder einer von den Spezialisten im Verstecken von Waren greifbar ist. Was bei Edeka zum Glück kein Problem darstellt, auch bei Klebenotstand. Der junge Mann meiner Wahl versuchte sich nur kurz im Trennen. Dann fiel ihm ein, dass die Edeka-Marke im Gegensatz zu ihrer Verwandten bei Netto rot gar nicht geklebt wird, folglich auch keine Klebefläche hat, ergo nicht von einem Träger zu lösen, sondern der Kassiererin separat zwecks Scans im Stück zu reichen ist. Bei soviel Heimtücke hilft auch ein Einser-Abitur nicht weiter. Es lebe der feine Unterschied!