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Trotz des scheußlichen Wetters mussten die Holde und ich gestern mal an die Luft und sind ein paar Schritte durch Zwenzow gegangen. Dort sieht es im Randbereich der Ortslage immer noch aus wie im Katastrophengebiet. Vor knapp einem Jahr hatte hier Orkan Niklas im Buchenbestand gewütet. Besonders krass der Anblick des Windbruchs im Bereich des Parkplatzes kurz hinter dem Campingplatz, ausgerechnet einer der touristischen Ankunftsbereiche.
Was ich schon ahnte, hat mit mein Blogfreund Axel Malonek, Bürgermeister der Gemeinde Userin, eben bestätigt: Das bleibt so. Nationalpark ist eben Nationalpark, da wird nicht eingegriffen. Auch nicht in Windbruch. Die Gemeinde hat aber bereits mit der Parkverwaltung gesessen. Als Zwischenlösung ist zu Saisonbeginn eine Infotafel vorgesehen, auf der erklärt wird, was hier passiert ist und warum es so unaufgeräumt aussieht. Für 2017 ist sogar an einen Erlebnispfad in Richtung “Rookhus” gedacht, der an weiteren Windbruchflächen vorbeiführt. So ganz leicht hat man es nicht als Nationalpark-Anlieger.
Wesenbergs Kinochefin Christiane Bongartz, von Haus aus Biologin, hat mir nachfolgenden Kommentar gemailt:
Ja, man hat es nicht leicht mit diesem “unordentlichen” Stück Wald. Unordentlich im preußischem Sinne geht gar nicht. Aber deswegen ist er ja gerade für Biologen so interessant. Nach einem Windbruch läßt sich anhand der sich ansiedelnden Tiere und Pflanzen beobachten, real und auch im wissenschaftlichem Sinne, mit welchen Entwicklungs-Abfolgen an diesem Standort mit diesem Boden und bei diesem Klima zu rechnen ist. Da wir in Mitteleuropa so gut wie über keine Urwälder mehr verfügen (so ab dem Mittelalter) ist Sukzessionsforschung auf Flächen natürlicher Entwaldung (Windbruch, Blitz und Feuer, in großen Flußtälern Abräumungen durch Hochwässer) wichtig, insbesondere da wir mit der Klimaerwärmung auch mit einer Verschiebung des Baumartenspektrums und der Hitzeresistenz unserer “naturnahen Wälder” und Forsten rechnen müssen, und Sukzessionsforschung lässt Prognosen zu. Nicht unwichtig wenn man als Nationalpark die Aufgabe des Schutzes großer Waldareale hat.
Zugegeben, wenn man Sukzessionsforschung erklärt – Ziel und Grund sowie einzelne, für die Besucher interessante Einzelaspekte in Form von Information(stafeln) an Ort und Stelle, würde das das Verständnis für Besucher und Anwohner erhöhen, auch das Ansehen des Nationalparkamtes mehren. Da kann man sich vielleicht auch mit der Unordnung arrangieren, wenn es denn höheren Zielen dient.
Es hält sich ja das Gerücht, für die Touristen soll alles fein gemacht sein, die Wegesränder werden so oft in der Saison gemäht, dass keine Wiesenblume mehr überlebt, die Grabenränder beidseitig und gleichzeitig gemäht und der Graben gleich komplett geräumt mit der Folge, Blutweiderich und Mädesüß, vom Erscheinungsbild imposante Pflanzen, sind nur noch selten zu sehen. Die Molluskenpopulationen (Muscheln und Schnecken) der Bäche und Gräben sind vom Artenspektrum her massiv rückläufig, die Kröten- Frosch- und Ringelnatterpopulationen, die z.B. aus den Kleingärten westlich der Bahnhofstraße in Wesenberg im Frühjahr zum Motschgraben gewechselt sind und im Herbst zurück zwecks Überwinterung, sind zu 70 Prozent zusammengebrochen (Beobachtungszeitraum 15 Jahre), die der Fledermäuse aus diesem Revier zu über 80 Prozent zurükgegangen, nachdem viele alte Hochstammobstbäume gefällt wurden.
Grund des Artenrückganges hier, die Gärten sind alle so “ordentlich” geworden, nur noch wenige Überwinterungsmöglichkeiten, es wird viel Glyphosat eingesetzt und Scheinzypressen sind die neuen Hecken. Über Bienen- und Hummeln will ich mich gar nicht auslassen. Ja, wir haben hier nun den “Weststandard”, was auch immer das ist, erreicht: langweilig, artenarm, aber pflegeleicht.
Erstrebenswert, nein, aus “Sicht” der Natur, nein, aus Sicht der Touristen, auch nein, sie kommen um blütenreiche Wiesen, Schmetterlinge und seltene Pflanzen zu sehen. Und solange die Spinne nicht in Ihrem Zimmer hockt, bräuchte niemand die Natur permanent zu malträtieren. Denn Natur und “Aufräumen” ist ein Widerspruch in sich. Wiesen und Grabenränder in bestimmten Mahdrhytmen ein- oder zweischürigen Wiesen angepaßt und wechselseitig zu mähen, ja, das wussten schon unsere Altvorderen. Dieses ewige Mähen hätten sie sich nicht angetan. Und Müllentsorgung wäre da auch schon mal mehr angesagt.