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Ich habe mir regelrecht die Augen verblitzt. Wer die Neustrelitzer Tiergartengaststätte von früher kennt und sie jetzt mal wieder besucht, wird sein blaues Wunder erleben. Oder eher seine helle Freude. Denn wo es einst ein bisschen schummrig und sehr rustikal war, betritt der Gast heute einen lichtdurchfluteten Raum. Wand-, Balken- und Fensterfarbe sowie der coole Tresen sorgen für einen völlig neuen Eindruck. Da ist den Neustrelitzer Werkstätten des Rehazentrums als Träger, deren Part am Umbau auch ein bisschen Leistungsschau ist, wirklich etwas Gutes gelungen.
“Wir waren schon erstaunt, was die Statik letztlich alles an Veränderungsmöglichkeiten in der Balkenkonstruktion bis hin zur Durchgangshöhe hergegeben hat”, sagte mir Helge Oehlschläger, Geschäftsführer der Werkstätten, bei einem Rundgang durch das Haus. In dem kommt jetzt eine ganze Busladung Gäste unter, nachdem in der ehemaligen Küche weitere Bewirtungsfläche entstanden ist. Die kann, inklusive Flachbildschirm, auf Wunsch durch eine Glastür separiert werden. Und wer hier tagen will oder es einfach nicht sein lassen kann: Kostenloses WLAN gibt es überall in der Gaststätte.
Durch Verlegung der Sanitäreinrichtungen ins Obergeschoss, das durch einen Lift behindertengerecht erreicht werden kann, wurde ebenerdig Platz für die neue Küche geschaffen, in der es augenscheinlich an nichts fehlt und in der man sich richtig bewegen kann. Am stylischen Tresen punktet die Kaffeemaschine, deren Anschaffungskosten im fünfstelligen Bereich liegen.
Meine Holde war bei der Visite nicht dabei, aber bei meiner besseren Hälfte kann die Qualität eines Latte schon über Gedeih oder Verderb einer Gaststätte entscheiden. Gut investiert! Apropos Tresen: Der ist ein bisschen karg und könnte den einen oder anderen Blickfang mehr vertragen. Und die Kuchenvitrine gehört oben rauf und nicht in die Versenkung. Das Bier kommt jetzt aus dem Keller und in drei Sorten auf die Hähne. Darunter in der Saison Hefeweizen vom Fass. Gambrinus, was willst du mehr!
Restaurantleiterin Antje Stoll ist um die neuen Arbeitsmöglichkeiten für sechs Facharbeiter und sieben betreute Kollegen nur zu beneiden. Davon träumt der Wirt gemeinhin. Oben gibt es großzügige Sozialräume, Chefbüro und sogar eine Wäscherei. Der absolute Wahnsinn: eine extra Catering-Küche. Leider kann der tollste Raum, eigentlich ein Studio, im Giebel nicht genutzt werden. Er liegt beklagenswerterweise im Fluchtweg. Was will man machen!
Noch mal zurück zu den Gästetoiletten: Im Behindertertenbereich kann man sogar Babys wickeln. Das war Kür, gehörte nicht zu den strengen Auflagen, die sämtlich erfüllt sind, wie Helge Oehlschläger betont.
Leider bin ich Küchenchef Christian Borgwardt diesmal nicht begegnet, der für eine leichte, raffinierte Küche mit saisonalen Einflüssen steht. Wir kennen uns. Der Meister hat sich nicht mit dem Umbau umkrempeln lassen. “Aber er hat in seinem Stil noch zugelegt”, befindet die Chefin, “wir heben uns schon von anderen Restaurants ab.” Und erzählt mir, dass Borgwardts Saucen, immer wieder reduziert, Tage brauchen. Darüber hinaus sei er ein Verfechter des schonenden Garens im Niedrigtemperaturbereich. Und seine Kräuter wachsen vor der Tür im Biergarten.
Meine Holde wird demnächst in der Tiergartengaststätte Saltimbocca von der Hähnchenbrust mit Tagliatelle an Pfannengemüse verschnabulieren. Ich schwanke noch zwischen dem pazifischen Lengfilet, den Fisch bekommt man auch nicht überall, und den irischen Ochsenbäckchen. Zum Abschluss dann ein karamellisiertes Basilikum-Parfait mit gepfefferten Balsamico-Erdbeeren. Und das alles zu sehr zivilen Preisen!
Wem jetzt der Zahn tropft, hier noch die Öffnungszeiten: Bis Ende August täglich von 11 bis 21 Uhr, im September 11 bis 17 Uhr, Montag Ruhetag. Von Oktober bis Dezember kommt der Dienstag als Ruhetag zum Montag dazu. http://www.tiergartengaststaette.net