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Dietmar Lahaine

Man nannte ihn den Fürsten des Humanismus, denn Erasmus von Rotterdam hoffte auf die Vernunft der Herrschenden, auch ohne Krieg zu einem dauerhaften Frieden zu kommen. Er legte Wert auf Neutralität und Toleranz und sah die Gefahren der Religionskriege voraus.
Das Jubiläum 2017 gilt nicht allein Martin Luther, sondern der Reformation. Der Schauspieler Dietmar Lahaine wirft am Dienstag, den 31. Oktober, um 19.30 Uhr, im Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz in der Neustrelitzer Schlossstraße die Frage auf: Wer war dieser Erasmus als bedeutender Vorreiter der Reformation?
Lahaine gibt Einblicke in das Leben dieses berühmten Mannes der Renaissance, in dessen Stellung zur lutherischen Reformation und liest aus dessen Buch „Lob der Torheit“.
Dagmar Ammarell vom Kulturquartier hat mich auch mit interessantem Hintergrundmaterial versorgt, das ich gern an meine Leser weitergebe. Im Geschichtsbewusstsein der Deutschen ist Erasmus nicht präsent. Das hängt auch damit zusammen, dass seit dem 19. Jahrhundert unter dem Einfluss der nationalprotestantischen Geschichtsschreibung die europäische Überlieferung aus dem deutschen Geschichtsdenken verdrängt und durch eine neue nationale Geschichtstradition ersetzt wurde. Luther wurde zum deutschen Nationalhelden stilisiert. Erasmus passte in dieses Bild nicht mehr hinein!

Ein Porträt des Erasmus von Rotterdam schuf Hans Holbein d. J. im Jahr 1523. Foto: Wikipedia

Das alles scheint nachzuwirken. Im Herbst 2008 brachte das Zweite Deutsche Fernsehen eine zehnteilige historische Sendereihe “ Die Deutschen“. In der vierten Folge „Luther und die Nation“ wurde Martin Luther obligatorisch als deutscher Nationalheld präsentiert. Erasmus wurde nicht erwähnt. Auch bei den Erinnerungen, die 1983 zum Anlass des 500. Geburtstages von Martin Luther in der BRD wie in der DDR stattfanden, kam Erasmus nicht vor. Ähnliches geschieht es im Jahre 2017, das die Deutschen zum „Lutherjahr- 500 Jahre Reformation“ erklärt haben. In vielen Filmen und Beiträgen spielt Erasmus keine Rolle, sein Name fällt höchstens mal im Nebensatz. Man kann bezweifeln, ob Erasmus-Stipendiaten unter den deutschen Studierenden mit der historischen Persönlichkeit des Erasmus von Rotterdam vertraut sind. Einige kennen vielleicht noch das Erasmusjahr während des Studiums, aber sonst?

Bedeutung Luthers zunehmend umstritten

Während Deutschland 2017 bei den Reformations-Jubelfeierlichkeiten insbesondere Martin Luther ehrt, scheint der Zeitgenosse Erasmus von Rotterdam in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei ist die Bedeutung Martin Luthers zunehmend umstritten. So hat die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, erneut die Mitverantwortung Martin Luthers und der evangelischen Kirche für die deutsche Judenfeindschaft unterstrichen. Der Antijudaismus des Reformators habe ein fatales Erbe hinterlassen.

Erasmus von Rotterdam, sympathisierte anfänglich mit der Reformation Luthers. In der Ablehnung des Ablasshandels, in dem Studium und der Wertschätzung der heiligen Schrift, in der Skepsis gegenüber der scholastischen Theologie und dem verweltlichten Klosterleben waren sich die beiden Glaubensreformer einig. Doch das Trennende überwiegt. Als er aufgefordert wird in das Lager Luthers zu ziehen, antwortet er: „…dass die Lutheraner mir nur unter der Bedingung wohlgesonnen sind, das ich uneingeschränkt mit ihren Meinungen übereinstimme, dann mögen sie denken was sie wollen, ich kann es nicht. Ich liebe die Freiheit, und ich will nicht und kann nicht irgendeiner Partei dienen.“ Die Selbstständigkeit im Denken zeichnete ihn aus – ein Leben lang.