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Glosse

Ich habe meinem Zusteller 97 Euro in die Hand gedrückt. Nicht, dass ich einen besonders spendablen Tag gehabt hätte. Wobei der gute junge Mann durchaus mal eine Gratifikation verdient hätte. Immerhin belästige ich ihn oft genug bereits vor der Tür meines Nachbarn mit meiner Ungeduld, obwohl ihn zu diesem Zeitpunkt noch eine geschätzt 30-minütige Wendeschleife von meiner Adresse trennt. Wohnen an Straßenkreuzungen verführt dazu. Aber das tut hier nichts zur Sache.
Jedenfalls hatte der Postbote, sorry, das war jetzt ewiggestrig, also der DHL-Bedienstete, eine Nachnahme zuzustellen. Da freut sich der Empfänger erst einmal, dass die Nachnahme auch nach der umbenannten Deutschen Post noch Nachnahme heißt. Und würdigt innerlich, dass selbige nun an der Haustür möglich ist. Immerhin musste man früher mit seiner Benachrichtigung zur Postfiliale stiefeln, um dort in angenommen geschütztem Raum zu blechen, zu löhnen, Kohle abzudrücken, jedenfalls zu zahlen, um die Sendung der Begierde zu empfangen.
Und da steht er nun vor mir, der oben beschriebene Vertreter des Fortschritts. Allerdings hält er mir nicht etwa sein Kartenlesegerät entgegen, sondern die Hand auf. In der anderen hat er doch tatsächlich ein abgeschabtes Portemonnaie. Rückfall in die Steinzeit oder geringfügig später, wo doch heutzutage selbst Monteure nach getaner Arbeit die Karte akzeptieren. Einfach drüber halten oder durchziehen, Rechnung folgt!
Also, zunächst Bares für hoffentlich Wahres. Der zum Geldeintreiben Verurteilte zählt durch, sackt die Scheine und den ergänzenden Taler ein. Das Nachnahme-Finale führt dann doch noch ins Digitalzeitalter, wenn auch nur kurzzeitig: Der Kurier an meiner Schwelle tippt was in sein Handy, sein gefingertes Ok erreicht von der Hand drahtlos die Hüfte, wo im Gürtel kein Colt, sondern ein transportabler Minidrucker baumelt. Der spuckt ein quittierendes Klebchen aus. Eben will ich voller Bewunderung ein “Ist ja der Wahnsinn” von mir geben, da ist das bisschen Zauber auch schon wieder flöten. Der Bote fördert eine DHL-Pappumrahmung zu Tage und bringt den Ausdruck darauf an. Per Hand! Die Collage wird mir dann zwecks Archivierung mit dem Paket überreicht.
Heute habe ich eine Karte von dem Gelben Riesen aus dem Briefkasten gefischt, mit der ich eingeladen werde, doch als Zusteller, Verlader oder Sortierer für ihn zu arbeiten, gern auch als Minijobber. Da fühlt man sich mit 68 Lenzen auf dem Buckel schon ein bisschen geehrt, einen krisensicheren Arbeitsplatz angeboten zu bekommen. Die Rente soll ja auch sicher sein, aber das blümige Versprechen ist immerhin im Oktober 26 Jahre her. Wenn überhaupt, würde ich mich als geringfügig beschäftigter Nachnahme-Zusteller bewerben. Vor anderer Leute Türen aus der Hüfte drucken, das hat schon was!
