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Johannes Arlt will in den Bundestag. Foto: Hans Ziertmann

Der Neustrelitzer Johannes Arlt will Bundestagsabgeordneter der SPD werden. Unlängst hat sich der 36-jährige Major der Bundeswehr im Ortsverband Neustrelitz sozusagen im Heimspiel seinen Genossen vorgestellt, die seine Kandidatur unterstützen. Zunächst muss er sich im Wahlkreis 17 (Mecklenburgische Seenplatte II / Landkreis Rostock III) aber gegen Thomas Salzmann aus Rostock-Laage durchsetzen, den die dortigen Sozialdemokraten gern ins deutschen Parlament entsenden würden. Die Entscheidung über die Direktkandidatur fällt im November.

Johannes Arlt gehört seit geraumer Zeit zur Strelitzius-Lesergemeinde. Wir hatten sofort einen Draht zueinander. Ich freue mich, dass der verheiratete Mecklenburg-Strelitzer trotz seiner knapp bemessenen Zeit zu einem ausführlichen Interview bereit war. Er will sich im Bundestag dafür einsetzen, dass der Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum wie z.B. Schulen, Krankenhäuser und öffentlicher Personennahverkehr weitergeführt und noch stärker vom Bund finanziell unterstützt wird. „Ich will, dass Deutschland und auch Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft sozial gerechter, digitaler, sicherer und europäischer werden“, sagt er, und hat sich dabei das Thema Digitalisierung ganz oben auf die Fahne geschrieben. „Nur wenn wir die Digitalisierung vorantreiben, hat unsere Heimat Zukunft.“

Was ist für Sie Heimat?
Wenn ich an meine Heimat, Neustrelitz und auch die Kleinseenplatte, denke, denke ich zunächst an unsere herrliche Natur. Die Blutbuchen im Schlosspark in Neustrelitz, Weite, glasklare Seen, Strasen und die Liebensinsel in Mirow. Ich denke an unsere im ländlichen Raum nahezu konkurrenzlose Kulturlandschaft mit einem Landestheater, einem preisgekrönten Programmkino, Tanztheater und vielen lokalen und freien Initiativen sowie lebendigen Dörfern. Dies hat uns zu einer der Regionen gemacht, die zu den begehrtesten Urlaubsregionen in Deutschland zählt, immer näher an die Metropolregion Berlin heranwächst und enorme Zukunftschancen hat. Diese Region möchte ich ab Herbst 2021 als Abgeordneter des Wahlkreises 17 (Mecklenburgische Seenpatte II / Rostock III) im Deutschen Bundestag vertreten. Mir ist es wichtig, dass wir unsere vielfältigen Zukunftschancen besser nutzen. Wir können uns nicht leisten, diese zu verschenken – weil wir sie nicht sehen oder weil wir zu bequem sind uns zu ändern. Eines der Themen, die von besonderer Bedeutung sind ist das Thema Digitalisierung.

Das Wort Digitalisierung wird im politischen Raum viel strapaziert. Oft ist schwer zu verstehen, was dieser Begriff beinhaltet bzw. was mit ihm gemeint ist.
Die Zukunft der ländlichen Regionen Deutschlands, aber auch die Chancen unserer Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt hängen vom Voranschreiten der Digitalisierung in Deutschland ab. Das bedeutet als Grundvoraussetzung zunächst, dass Bürger Zugang zu schnellem Internet haben müssen. Der Zustand, dass immer noch große Teile des ländlichen Raums ohne adäquate Internet- und Mobilfunkabdeckung „ausharren“, ist kein einfaches, zu belächelndes Ärgernis mehr, sondern ein Zukunftshindernis. Es schadet der Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft, der Chancengleichheit der Bevölkerung und der demografischen Entwicklung.

Was wollen Sie dagegen tun, wenn Sie es in den Bundestag schaffen?
Zunächst will ich ein grundrechtsgleiches Recht auf schnellen Zugang zum Internet schaffen helfen, und damit ein Recht auf einen mobilen oder kabelgebundenen schnellen Internetvertrag, etwas wie den kostenfreien Kindergartenplatz oder das Basiskonto. Ich will, dass bis 2025 99,9 % von Mecklenburg mit Mobilfunknetzen mindestens in der Qualität 4G abgedeckt werden, um schnelles Surfen auch ohne Glasfaser-Kabel zu ermöglichen. Der heutige Zustand, dass nicht einmal ein Telefongespräch entlang der B 96 oder im Zug von Fürstenberg nach Neustrelitz möglich ist, muss schnellstmöglich beendet werden.

Doch die echten Potenziale liegen im Ausnutzen der digitalen Welt, in der andere Länder im Moment die Nasen um Längen vorn haben. In Estland oder Dänemark können 80 bzw. 82 Prozent aller Verwaltungsakte, u.a. Namensänderungen, Arbeitslosmeldungen, Bauantrag eine Neubeantragung von Geburtsurkunden und sogar Ehescheidungen online erledigt und vom Bürger in wenigen Minuten heruntergeladen werden. Ich fordere, dass auch in Deutschland die 500 gängigsten Behördenleistungen komplett online abgebildet werden müssen.

Vielleicht müssen unsere Verwaltungsprozesse stellenweise angepasst und vereinfacht werden. Um die notwendigen Unterschriften auf Formularen, z.B. bei Behörden und Banken zu erledigen, braucht man eine nationale Kryptierungs-App, die alle Banken und Behörden (aber auch private Dienstleister) akzeptieren. Das heißt, dass jeder Bürger anhand einer einzigen Personennummer bei allen Behörden geführt werden muss. In Schweden heißt diese App Bank-ID. Diese kann sogar bei Bestellungen, z.B. in Webshops genutzt werden und stellt sicher, dass die Bestellung wirklich von einer bestimmten Person getätigt wird. Ergänzend dazu brauchen wir auch in Deutschland ein Mail-Postfach, über das man Behördenpost und Behördenkommunikation komplett digital und rechtssicher abwickeln kann (wie z.B. e-Boks in Dänemark).

Doch was hat das alles mit dem ländlichen Raum der Zukunft zu tun?
Ich skizziere hier beispielhaft drei Entwicklungsbereiche im Zusammenhang mit Digitalisierung und stelle eine Anekdote voran: Gestern Abend war ich in der Inselstadt Malchow zur Vorstellung als Bundestagskandidat beim SPD-Ortsverein – mit dem ÖPNV. Als wir neben Grundrente und Mindestlohn auch die Digitalisierung als Chance für Mobilität in ländlichen Raum lebhaft und gelungen diskutierten, ahnte ich nicht, welche Gelegenheit ich später haben sollte, das Problem in der Realität kennenzulernen. Eigentlich sollte ich gemäß DB-App um 20.26 Uhr mit gebuchter Fahrkarte mit dem Bus ab Karow Bahnhof nach Berlin aufbrechen und war rechtzeitig vor Ort.

Was kam nicht? Der Bus. Der Notdienst-Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft des Kreises meinte, das wäre Pech und ok, dass ich in der Bushaltestelle übernachte. Er könne auch nichts machen und hätte keinen Funk-oder Telefon-Kontakt zum Fahrer. Ich hätte den Bus, ein Anruf-Taxi, nach Ansicht des Mitarbeiters, einen Tag früher buchen müssen. Dies war weder in der Bahn-App noch im Fahrplanaushang ersichtlich. Internet auf meinem Handy ging natürlich ebenfalls nicht, zumindest konnte ich telefonieren. Nachdem ich von einigen hilfsbereiten Parteifreunden abgeholt und ins nächste Dorf gefahren wurde, wurde ich eine Stunde später – im strömenden Regen – von einer charmanten Taxifahrerin aus Malchow gerettet. Für mich zeigt diese Situation ein riesiges Verbesserungspotenzial, wie wir unsere Region lebenswerter und attraktiver, für Mecklenburger sowie unsere Gäste, gestalten können und müssen.

  1. Mobilität
    Wie wäre es, den Nahverkehr im ländlichen Raum mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu organisieren: Weniger große Busse, die fast leer über die Landstraße fahren, sondern eine App (und eine Hotline), auf der man den Bus bis zu einer halben Stunde vor Abfahrt vorbestellt. Jeder der mehr als einen Kilometer von der Haltestelle entfernt wohnt, wird zu Hause abgeholt, täglich von 6 bis 22 Uhr. Optimierte Routenplanung, erledigt in einer App am Fahrerplatz. Zum Preis eines Busfahrscheins. Bezahlt wird per Kreditkarte, Paypal oder in bar. Die Kleinbusse werden dezentral an „Hubs“ stationiert, um die Fahrgäste möglichst effizient zu erreichen. Die Technik gibt es in Berlin mit dem System „Berlkönig“ der Berliner Verkehrsbetriebe bereits. Gibt es alles schon in Europa. Und ist mutmaßlich sogar billiger als das jetzige System. Darüber hinaus könnte diese Minibus-Flotte komplett elektrisch fahren. Warum implementieren wir so ein System nicht bei uns in der Kleinseenplatte als Modellregion für Digitalisierung, die ländliche Räume lebenswerter macht. Wichtig ist, dass diese neuen Ideen einfach und unbürokratisch eingeführt werden und alle mitgenommen werden. Ich will mich als Bundestagsabgeordneter dafür einsetzen, dass die Unterstützung für Gemeinden, die Digitalisierung umzusetzen, verbessert wird. Damit junge Leute in ihren Wohnorten bleiben und wir das Demografie-Problem lösen und alle Bewohner solange wie möglich unabhängig in ihrem Zuhause leben können.
  2. Nahversorgung mit Lebensmitteln, Bank- und Behördendienstleistungen
    Wie wäre es, wenn viele Dörfer wieder ihren „Dorfkonsum“ als Zentrum bekommen? Einen Ort, an dem man sowohl gut einkaufen kann, als auch Banken und Behörden einfach und sicher kontaktieren kann? Es gibt bereits ein System, welches vollautomatische Landmärkte ermöglicht. Der gesamte Markt befindet sich in einem bis zwei Standard-Seecontainern und kann innerhalb weniger Tage aufgebaut werden. Diese Märkte haben bis zu 1000 unterschiedliche Produkte an Bord und sind vollautomatisch. An der Tür identifiziert man sich mit seiner App, und eine Person kann den Laden dann allein betreten. Alle Artikel scannt man mit dem Handy und vor Verlassen des Ladens zahlt man per App. Dort könnte auch ein Video-Telefonie-Platz eingerichtet sein, um Kontakt zu Banken/Sparkassen oder Behörden-Gespräche und Auskünfte zu ermöglichen. Ein Mitarbeiter betreut drei bis fünf dieser Läden, daher bleiben sogar die Preise konkurrenzfähig.
  3. Gesundheit und Pflege
    Wie wäre es, nicht zu jedem Arzttermin persönlich erscheinen zu müssen und alle Patienten auch Videotelefonate mit dem Mobiltelefon mit dem Arzt sicher führen könnten. In Schweden und Dänemark zählt das zum Alltag. Gleichzeitig könnten Ärzte, Krankenhäuser, und Pflegedienste alle mit der gleichen digitalen Gesundheitsakte arbeiten und damit sicherstellen, dass alle Informationen zum Patienten immer an einem Ort verfügbar sind und niemand falsch behandelt wird, weil nicht alle Informationen vorliegen. Außerdem kann man dem Patienten via App vollen Zugriff auf seine eigenen Gesundheitsdaten ermöglichen. Krankenhäuser könnten dann via Gesundheits-App z.B. Patienten mit Bluthochdruck überwachen und diese anrufen, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert und die Patienten dann doch physisch im Krankenhaus erscheinen müssen. Medikamente könnten von den Apotheken mit Kleindrohnen zu Patienten geflogen werden. Vieles kann mit Digitalisierung effektiver, kostengünstiger, aber eben auch menschlicher organisiert werden und jeder kann schneller überall die Unterstützung erhalten, die er oder sie braucht.

Hört sich wirklich gut an. Aber wird das nicht wieder in Sachen Datenschutz die Bedenkenträger auf den Plan rufen?
Für alle, die Datenschutz-Bedenken haben: Natürlich muss die Teilnahme an diesen Services freiwillig sein. Aber auch andere europäische Länder, die ihre Gesellschaften bereits erheblich mehr digitalisiert haben, unterliegen demselben europäischen Datenschutzrecht wie wir. Warum geht in anderen Ländern mit ähnlichen Voraussetzungen, was bei uns im Alltag als nicht möglich, nicht umsetzbar „weggewischt“ wird?
Ich will als Bundestagsabgeordneter dafür arbeiten, dass wir mutiger unsere Gesellschaft in Richtung Digitalisierung führen und die sich ergebenden Chancen besser nutzen. Wir müssen lernen, im Digitalen nicht nur konzeptionell stark zu sein, sondern auch wieder in einer schnellen Adaption und Umsetzung neuer Technologien an die Spitze. Digitalisierung ist ein sehr dynamischer Prozess, und wir müssen wieder vorn dabei sein.

www.johannesarlt-mv.de
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