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Blick in den Konferenzsaal: Erste Reihe von links Wilhelm von Boddien, Ernst August von der Wense, Henry Tesch, Helmuth Freiherr von Maltzahn, Johannes Arlt, Andreas Petters und Torsten Fritz.

Aus dem Schlusswort zur 7. Schlossbergkonferenz in Neustrelitz zuerst: „Wenn die Hühner lange genug gegackert haben, müssen sie Eier legen, sonst kommen sie in den Suppentopf. Schaffen, nicht schwätzen“ Gesagt hat das Wilhelm von Boddien, Gründer des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, der die Schlossbergkonferenzen von Beginn an bereichert hat und es sich auch diesmal nicht nehmen ließ, in Neustrelitz dabei zu sein. Rund 100 Teilnehmer waren heute am für die Stadt geschichtsträchtigen 29. Januar ins Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz gekommen, weitaus mehr, als die Organisatoren erwartet hatten. Auf den Tag vor 105 Jahren wurde im Gelben Saal des Neustrelitzer Schlosses die erste demokratische Landesverfassung Deutschlands verabschiedet.

Wilhelm von Boddien

An die Adresse von Bürgermeister Andreas Grund sagte von Boddien, dass er bei seinen Haushaltsbetrachtungen die Privatinitiative der Bürger nicht unterschätzen solle. „Treiben Sie zusammen mit der Stadtvertretung das Projekt Schlossturm bis zur Genehmigungsreife voran, dann können Sie zusätzlich Spenden einsammeln. Es ist über alles gesprochen, so viel Anfang war noch nie, es ist zu schaffen, aber es muss jetzt etwas passieren.“ Anderenfalls könnten Bund und Land in diesen Zeiten die zugesagten Fördermitteln zurückziehen. Der Turm sei bezahlbar und seine Errichtung doppelt wichtig, um eventuell einen Prozess hin zu noch mehr Bebauung einzuleiten. In seinen mit Bravorufen bedachten Schlussworten stellte der Gast Neustrelitz ein Uhrwerk für den Schlossturm in Aussicht, dass ihm gerade angeboten worden ist.

Stadtoberhaupt Andreas Grund hatte sich einmal mehr auf die aus seiner Sicht schwierige Neustrelitzer Haushaltslage berufen, aus der heraus er auch den jüngsten Beschluss der Stadtvertretung zum Schlossturm mit einem Veto blockiert hat. „Wir wollen die richtige Bebauung auf dem Schlossberg, es geht um Funktionen, Nutzungen, Wirtschaftlichkeit, lassen Sie uns einen Moment innehalten“, so Grund. In diesem Zusammenhang erinnerte er an den studentischen Ideenwettbewerb 2022 zum Schlossberg, der eine Reihe alternativer Bebauungsvorschläge offeriert hatte (Strelitzius berichtete).

CDU-Fraktionsführer Andreas Petters erwiderte: „Wir müssen die historische Chance etwas zu bewegen jetzt ergreifen, sie bietet sich nicht ewig, und wir dürfen es nicht verbocken.“ Die Christdemokraten hatten die Beschlussvorlage zum Schlossturm in die Stadtvertretung eingebracht. Schweres Geschütz fuhr Dr. Rajko Lippert auf, Vorsitzender des die Konferenzen unterstützenden Vereins Kulturgut Mecklenburg-Strelitz und Moderator: „Wenn die Verwaltung nicht tut, was die Stadtvertretung beschließt, dann gefährdet das auch unsere Demokratie.“ Der Widerspruch des Bürgermeisters steht am kommenden Donnerstag auf der Tagesordnung der Stadtvertreter.

„Orte der deutschen Demokratiegeschichte und ihr erinnerungspolitisches Potenzial. Kultur – Politik – Tourismus“, war das Thema von Dr. Kai-Michael Sprenger, Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte Frankfurt a. M.. Der Referent maß Neustrelitz als Ort der Demokratiegeschichte überregionale Bedeutung bei, die auch Thema für seine Stiftung sei. Insofern könne das Projekt „Leuchtturm der Demokratie“ bei der inhaltlichen Ausgestaltung mit Unterstützung durch die Stiftung rechnen.

Während der Diskussion: Jürgen Haase, Dr. Kai-Michael Sprenger, Dr. Frank Havemann und Dr. Rajko Lippert (von links).

Mit Dr. Frank Havemann vom Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, seit eineinhalb Jahren Neustrelitzer, trat ein Turmgegner auf den Plan. „Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber“, so der Referent. Der Turm habe mit der demokratischen Verfassung, die ja im Schloss verabschiedet wurde, nichts zu tun. Zudem sei er nachträglich errichtet worden und eher als Referenz an das Kaiserreich zu werten. Auch aus Gründen des Anblicks sei seine alleinige Errichtung abzulehnen. Wolle man die städtebauliche Wunde tatsächlich heilen, müsse in der Kubatur des ursprünglichen barocken Schlosses gedacht werden. In diesem Zusammenhang verwies Havemann auf einen Entwurf des Neustrelitzer Architekten aus dem Jahr 2005. Peters hatte damals eine Kombination aus adaptierter Schlossfassade und Freilichtbühne vorgeschlagen.

Kritik am Schlossturmprojekt gab es auch vom Verein für Kultur und Kommunikation Alte Kachelofenfabrik. Horst Conradt machte ebenfalls gelten, dass der Turm kein Ort der Demokratiegeschichte sei. Zudem habe keine öffentliche Diskussion zu dem Vorhaben stattgefunden. Dem widersprachen die Einlader zur Konferenz heftig. Die Stadt, so Conradt weiter, habe andere Aufgaben zu stemmen.

Bundestagsabgeordneter: Ich bin Botschafter für Neustrelitz in Berlin

Zu den Gästen der Konferenz gehörte auch der Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt. Gerade die aktuell Entwicklung in Deutschland zeige, wie wichtig Ort der Demokratiegeschichte seien. Arlt teilte mit, dass die Fördermittelzusage des Bundes noch stehe. „Ich bin Botschafter für Neustrelitz in Berlin“, rief er den Versammelten zu. Allerdings wolle und könne er sich in die kommunalpolitische Auseinandersetzung nicht einmischen. Stadtpräsident Ernst August von der Wense sprach von einem klaren Signal aus der Stadtvertretung heraus, an der Wiedererrichtung des Schlossturms in seiner historischen Gestalt festzuhalten. Es müsse jetzt schnell durch die Leerung des früheren Kellers durch das Land die nötige Baufreiheit geschaffen werden. In diesem Jahr sollen die Räummaßnahmen seitens des Landes zumindest beginnen. Wir müssen jetzt mit dem Schlossturm anfangen, so auch der Tenor in den Diskussionsbeiträgen des Unternehmers Bernd Werdermann, des Vorsitzenden des Residenzschlossvereins, Jürgen Haase, und von Schlossbergaktivist Holger Wilfarth.

Für die einladende Stiftung Mecklenburg hatten der Vorstandsvorsitzende Helmuth Freiherr von Maltzahn und sein Stellvertreter Henry Tesch bereits eingangs betont, dass 2024 das Jahr der Entscheidung sein müsse. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf. „Der Pflock muss jetzt eingeschlagen und nicht noch sieben Jahr herumgeeiert werden“, brachte es von Maltzahn auf den Punkt. Weitere Gäste der Tagung waren der Landtagsabgeordnete Torsten Koplin, der stellvertretende Landrat Torsten Fritz und Herzog Alexander zu Mecklenburg als Vertreter des Großherzoglichen Hauses Mecklenburg-Strelitz. Für die musikalische Einleitung sorgte Merle Döhnert, Zehntklässlerin am Carolinum, auf der Violine.

Helmuth Freiherr von Maltzahn und Henry Tesch (rechts) eröffneten die Konferenz.