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Gerhard Schneider aus Krümmel, einst einer der Köpfe der erfolgreichen Bürgerinitiative „Freier Himmel“ gegen das seinerzeit geplante Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide, hat einen Brief an den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt geschrieben. Ich darf die Zeilen mit Zustimmung beider Seiten veröffentlichen. Arlt hat Schneider eine Antwort zugesagt.

„Das, was uns im Augenblick passiert und sich entwickelt, lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Johannes Arlt scheint mir ein Gesprächspartner zu sein. Meine Ansichten wird er aber nicht unbedingt teilen“, so mein Blogfreund an Strelitzius. „Der Krieg in der Ukraine wird wohl bis zur Erschöpfung beider Seiten weitergeführt. Wir haben unseren Anteil daran.“ Hier der Brief an den Abgeordneten:

Lieber Herr Arlt,

seit der Sonntagsrede von Bundeskanzler Olaf Scholz und den zahlreichen Solidaritätsbekundungen zu seinem Programm enthalte ich mich der Nachrichtensendungen. Die täglichen Berichte in der Süddeutschen, der TAZ und des Freitags machen mich immer wieder betroffen. Konnte dieser unselige Krieg nicht verhindert werden? Ist er nur mit dem geistesgestörten Verhalten eines Autokraten zu erklären, dem nicht mehr zu helfen ist?

Die Kriege in meiner Lebenszeit – und das sind mehr, als ich Finger und Zehen an Händen und Füßen habe -, haben kaum etwas zur Demokratie in der Welt beigetragen. Keiner dieser Kriege, vom Indochinakrieg über Vietnam, Jugoslawien bis Afghanistan, hat nach seinem Ende einer ernsthaften Betrachtung seiner vorgeblichen Ziele standgehalten. Und der jetzige wird da nicht anders gewertet werden können.

Mir ist am Sonntag das Sehen und Hören vergangen. Haben denn die Abgeordneten alle guten Geister verlassen? Nicht, dass ich das, was in der Ukraine passiert, gutheiße. Nein, da findet eine Aggression statt, die gehört verurteilt und mit allen Mitteln niedergerungen. Dass mir das Sorge und Angst bereitet, möchte ich nicht verschweigen.

Heute (beim Bügeln) hörte ich NDR-Kultur. Natürlich gibt es keinen Sender, den man hören kann, ohne dass der Krieg ans Ohr klopft. Friedrich Merz war zu hören. Am Sonntag konnte ich schon seine, für mich furchtbare und alle Andersdenkenden diffamierende Rede hören. Er ist ein Scharfmacher in meinen Augen, der gefährlich mit dem Feuer spielt. Heute ging es um das größte Atomkraftwerk Europas und dessen Brand. Friedrich Merz bastelte sich einen Kriegsgrund für das Eingreifen der Nato zurecht. Hilfe, wenn das Schule macht!

Gibt es noch klar denkende Politiker in diesem Land? Ich werde immer unsicherer. In den nächsten Wochen oder schon Tagen werden Sie im Bundestag über das Regierungsprogramm zum Krieg sprechen und um eine Entscheidung gebeten werden. Die extreme Erhöhung des Rüstungshaushaltes und die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen der Bundeswehr steht auf der Tagesordnung. Ich werde nicht die Geschichte mit dem Vergleich der Rüstungsausgaben Russland/Nato hervorholen. Mir erscheint, die Erhöhung der Rüstungsausgaben erhöht in keiner Weise die Effektivität der Bundeswehr.

Vielleicht wäre mehr ernsthafte Kontrolle zielführender. Zahlreiche Bundesminister der Verteidigung haben es nicht geschafft, den Filz aus dem Ministerium auszukämmen. Oder steckt man jetzt im Wissen um das Versickern der Mittel mehr Geld in die Rüstung, um am Ende wenigstens etwas zu haben, was man den Soldaten mitgeben kann? Erschreckt hat mich auch, dass sich im Bundestag kein Liebknecht gefunden hat, um ernsthaft und deutlich auf das überdimensionale Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Rüstungsindustrie hinzuweisen.

Wer kann sich auf die Dauer Kanonen und Butter leisten? Die Mehrzahl der Bundesbürger nicht. Ich bin nicht gespannt auf das Ergebnis der Abstimmung. Ich fürchte es. Das Ergebnis ist klar.

Betroffen macht mich in diesem Zusammenhang der Tanz um die Bonuszahlung für die Pflegekräfte in der Pandemie. Einst waren sie Helden, und jetzt bekommen sie Streitereien zu hören. Das selektive Herangehen sollte auch für andere Bereiche Schule machen, siehe oben. Ein Land, dessen Brücken gefährdet sind, dessen Bildungswesen reformbedürftig ist, wo man jeden Tag vom Pflegenotstand hört und liest, wo bezahlbarer Wohnraum ein Luxusgut geworden ist, das sollte ernsthafter nachdenken über friedenserhaltende Wege.

Ein Sondervermögen für die Bundeswehr im Grundgesetz zählt für mich nicht dazu. Bevor die Beschaffung von Kriegsgerät im Grundgesetz steht, sollte ein einklagbares Recht auf Arbeit und Wohnen dort verankert werden.

Lieber Herr Arlt, das wollte ich Ihnen gern mitteilen.

Bleiben Sie gesund und herzliche Grüße

Gerhard Schneider