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Da, wo es all die schönen Sachen zu kaufen gibt, hat die Zierde meines Heimes eine Körperfettwaage erstanden. Um es gleich vorauszuschicken, es handelt sich um die erste Anschaffung für unseren Haushalt, die mich beschimpft. Und das trotz meiner seit Wochen währenden Ernährungs- und Trinkopfer im Rahmen des sogenannten Intervallfastens. Das neue Teil hat für mein Gewicht nicht nur Ziffern, sondern auch ein unflätiges Wort parat. Welches, lasse ich hier mal weg.

Neben dem Gewicht und dem Körperfett hat die Neue in unserem Bad weitere Hiobsbotschaften auf Lager. Body-Mass-Index, Muskelmasse, Knochengewicht, Körperwasser, alles wird nach elektrischer Durchflutung meinerselbst schonungslos offengelegt. Schließlich rechnet das Digitalgehirn auch noch die Differenz zu meinem Wunschgewicht aus. Hier zumindest hatte ich Spielraum und konnte so programmieren, dass die Spanne zum Ziel überschaubar bleibt. Dadurch sind es nur sechs Kilo, erst mal… Oben drauf gibt es vom neunmalklugen Gerät eine von Geiz geprägte Kalorienempfehlung für den Tag, die selbst die Fachliteratur unterbietet.

Wo das Teil mich nun schon etikettiert, könnte es auch ganz mit mir sprechen. Für das Lesen des bösen Wortes brauche ich zwar keine Zeit zu vergeuden, das habe ich mir nach Laufbreite eingeprägt. Es hat zehn Buchstaben, das nicht ganz so schlimme übrigens breitere elf und das Traumwort sogar 13. Es gibt noch ein viertes Prädikat am anderen Ende der Skala mit zwölf Buchstaben, was allerdings bei mir eher nicht zu befürchten steht.

Aber die Ziffern auf dem Display stehend zu entziffern, braucht einen mir abhanden gekommenen Adlerblick. Gleitsichtbrillen funktionieren offenbar nicht nach unten, außerdem wiegen die ja mit. Also bleiben mir 30 Sekunden, um von der Plattform zu hüpfen, die Sehhilfe aufzusetzen, das Gerät aus der Kniebeuge auf den Waschtisch zu hieven und im nun funktionierenden Abstand beim letzten Zahlendurchlauf vor dem Abschalten die Informationen zu erhaschen, für die die Technik bei uns Einzug gehalten hat.

Hier hat das Wunderwerk zweifellos eine vom Hersteller nicht vermarktete fitnessfördernde Seite. Erst recht, wenn im ersten Anlauf nicht alles erfasst wurde und ein zweites Wiegen erforderlich wird. Noch mal Messgerät auf den Boden, rauf, runter und wieder in Ableseposition…

Alternativ wäre eine sichtfördernde Hockstellung auf dem Gerät denkbar, aber morgens kurz vor sechs Uhr bin ich noch nicht ausbalanciert. Und abends wiege ich noch mehr. Bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber dem Fortschritt, manchmal sehne ich mich nach unserer alten Waage zurück. Die hatte zwar nur Gewicht und Körperfett drauf, dafür gut lesbar. Sie sah auch nicht so stylisch aus, dafür verkniff sie sich Kommentare. Irgendwie war weniger mehr.