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Ich hätte mich nicht auf diese feurige Kubanerin einlassen sollen. Schon gar nicht hätte ich ihr beim Vorstoß in ihr Innerstes mit den bloßen Fingern zu Leibe rücken dürfen. Zumal die vermeintliche karibische Schönheit sich auch noch als Kerl entpuppt hat. Aber wer schaut sich denn gleich die Papiere an.

Auf die Vermittlerin unseres Quickies will ich es nicht schieben. Sie spricht tragischerweise kein Englisch. Sonst hätte sie bei „spicy“ schon argwöhnisch werden können. In Deutsch stand es erst eine Zeile tiefer, wer kommt denn bis da hin! Ich bin nicht mal bis zur warnrot unterlegten Headline  gelangt, war so heiß auf dich, um nicht zu sagen scharf, dass ich dich einfach aufgerissen habe.

Zumindest wäre Verhütung angemessen gewesen. Stattdessen musste ich zwei Tage Jucken und Brennen hinnehmen. Meine Fingerkuppen schienen in Löschkalk getaucht, mehrmals bin ich kurzzeitig erblindet, mein Gesicht eine einzige Feuerstätte. Schönen Dank auch, roter Habanero, du bist echt ätzend, das Schärfste, was mir je untergekommen ist! Und dann auch noch Spanier, nicht Fidel Castros letzte Rache.
Bleibt mir, meine Leser vor deinen Brüdern und Anverwandten zu warnen. Du weilst ja nicht mehr in meinem Haus, sondern bist inzwischen den Weg alles Irdischen gegangen. Wo sonst Händewaschen reicht, habe ich erst mit einem Vollbad am Tag nach unserer kurzen, aber heftigen Begegnung wieder halbwegs zur Normalform zurückgefunden.

Dabei warst du nicht direkt schlank, wie ich es bevorzuge, eher rundlich. Aber niemand ahnte Böses. Auch als ich dich geschmeckt hatte, du in mir ein Feuerwerk abbranntest  und mir den Schweiß aus allen Poren triebst, habe ich dich noch für eine etwas Üppigere von denen gehalten, mit denen ich es immer treibe. Das von dir angerichtete, wenn auch von mir zubereitete Brand-Mahl ging immerhin mit dem nicht weit hergeholten Prädikat „höllisch gut“ in mein Kochschriftwerk ein.

Geschlagene 24 Stunden dauerte es dann, in denen du mir nicht aus dem Kopf gegangen, vor allem immer wieder in die Augen geraten bist. Dann fiel bei mir der Centavo, also der Groschen, und ich bin hinter deine wahre Identität gekommen. Von wegen Chilischote, das ist in deinem Fall wohl mehr als tiefgestapelt!

Ich bin einfach da hingegangen, wo du zuletzt hergekommen bist. Aus meinem Gemüsefach im Kühlschrank, wo der Rest vom arglos erworbenen Chili Mix auf den nächsten Anschlag wartet. Die Holländer, die dich in die deutsche Küche  verfrachtet haben, könnten auch unter Terroristen verbucht werden. Du standest als schlimmster möglicher Fall auf der ignorierten Schärfeskala in der Packung ganz oben und warst allein vertreten. Direkt unter dir in der Rangfolge dein zweitschlimmster Landsmann, der gelbe Habanero, auch solo und weit entfernt von Spielkram wie Peperoni und Jalapeno. Aber ich bin ja jetzt gewarnt, ein gebranntes Kind im fortgeschrittenen Alter. Schön, dass ich mich dessen nach dem Attentat noch erfreuen kann.

Deinem helleren Artgenossen begegne ich vor dessen Gang in meine Pfanne nur noch mit Handschuhen. Und dich, roter Habanero, hake ich unter Haushaltsunfall ab. Einmal mehr hat sich bewahrheitet: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Und sollte diesen Vorteil auch nutzen.