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Alles wieder auf Anfang? Nicht ganz, davor gab es noch die Luisen-Operette. Trotzdem, wir in Neustrelitz waren bei den Schlossgartenfestspielen schon im „Weißen Rössl“, auch wenn das inzwischen 13 Jahre her ist. Die Nachricht, dass die Theater und Orchester GmbH das Singspiel von Ralph Benatzky für 2016 wieder auf den Spielplan der Festspiele gesetzt hat, wurde von vielen Freunden des alljährlichen Freiluft-Ereignisses mit Kopfschütteln quittiert.
Wurde doch erwartet, dass jetzt das Musical den Schlossberg erobert. Auch, um vielleicht ein jüngeres Publikum anzulocken. Statt dessen dieser Rückgriff auf schon Gehabtes, selbst wenn das „Rössl“ sicherlich breiteste Möglichkeiten der Inszenierung bietet und immer wieder ein bisschen neu gemacht werden kann. Erschwerend kommt noch hinzu, dass am Volkstheater Rostock gerade eben „Rössl“-Premiere war. Insofern wurde in Neustrelitz eine Entscheidung getroffen, die nicht eben von regionaler Weisheit zu sein scheint.
Erste Stimmen gibt es, die einen Deal hinter den Kulissen zu Ungunsten des Produktionsstandortes Neustrelitz vermuten. In die aktuelle Theaterpolitik des Landes würde es auf alle Fälle passen. Ich werde dieser Tage nachhaken.
Kirsten Jensen sagte:
Das war aber sehr schwarz gesehen!
Zugegeben: Im weissen Rößl ist die wohl am meisten misshandelte Operette überhaupt: Zwischen der Generalprobe und der Urpremiere wurde der Text mit rund 20% gekürzt, zwischen der Urpremiere und der 1950-Fassung mit noch 10-15%, und als das Stück zur Kleinformat in 1994 umwandelt wurde verschwand sogar rund 30% des verbliebenen Texts ohne jeglichen Ersatz. Das muß ja zuletzt Mieze werden!
Aber mit dem ursprünglichen Text und aktueller (und lokaler) Interpretation (ich würde z.B. der Bürgermeister in die Maske von Angela Merkel auftreten und sie griechische Touristen jagen lassen, und Hinzelmann unterbezahlter Intendent des Müritzeums sein) kann das Rößl auch einer der besten Stücke der ganzen Gattung Musiktheater sein, wenn ich es leider bisher nie im deutschsprachigen Raum erlebt habe. Aber im Ausland schon, so es ist möglich!
Im Kommentar steht, dass das Rößl trotz Allem ein Bisschen neu gemacht werden kann. Es MUß sogar aktualisiert werden durch und durch. NICHT modernisiert, die heutige Zeit muss sich in der damalige spiegeln das wurde schon am Urpremiere systematisch gemacht. Eine Tradition, die leider Heute in deutschsprachigem Raum total vergessen zu sein scheint.
Aber – in fröhliches Andenken an dem Orpheus in der Unterwelt auf dem Landestheater vor einigen Jahren – sollten wir doch die Hoffnung auf ein revuehaftes, aktualisiertes Rößl nicht schon jetzt aufgeben! Wer weiß: Vielleich kriegen wir sogar eines neugeschriebenes, Neustrelitz´sches Quodlibet für Leopold?
Auch die tüchtigen Tänzer der Deutscher Tanzakademie könnten viel zu einer modernen Vorstellung beibringen wie wäre es zum Beispiel mit tanzenden, zu Hackfleisch bestimmten Kühen mit Pferdekopf, als kleine Erinnerung an den vielen Fleischskandalen?
Noch eines könnte sich von der Aufführung vor 13 Jahren unterscheiden: Jetzt haben auch die deutschsprachigen Regisseuren entdeckt, dass die Musik bei der Urpremiere viel jazziger und Musicalähnlicher klang, als der in Deutschland und Österreich nach dem zweiten Weltkrieg verwendete Fassung.
Die ursprüngliche Weise, die Musik zu spielen, war vor 13 Jahren unbekannt in Deutschland, wenn auch nicht in z.B. Frankreich und Skandinavien. Und glaubt mir: Es klingt tatsächlich viel besser, und paradoxal genug viel moderner! Vielleicht kriegen wir die ursprüngliche Musik nächstes Jahr im Schlossgarten zu hören?
So ich persönlich planiere für die lange Reise aus Schweden nach dem Neustrelitzschen Rößl 2016 und hoffe auf das Beste!
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Jensen, Lundsbrunn, Schweden.
strelitzius sagte:
Das ist ja ein ganzes Füllhorn von Ideen, das Sie, liebe Frau Jensen, da ausschütten. Hoffentlich liest der Regisseur auch meinen Blog und damit Ihre Zuschrift. Vielen Dank für die ausführliche Kommentierung und schöne Grüße nach Schweden.